GI hält EU-Chatkontrollen für grundrechtswidrig

Die Gesellschaft für Informatik (GI) e.V. hat die Fortsetzung der Gesetzgebungsaktivitäten zur sogenannten „Chatkontrolle“ bereits mehrfach stark kritisiert. Die EU-Kommission hält an den Plänen fest und greift entgegen aktueller EuGH-Rechtssprechung mit dem Gesetzesvorhaben zur Chatkontrolle vertrauliche Kommunikation frontal an.

Berlin, 12.10.2022 – Am Montag stellt EU-Innenkommissarin Johansson eine Rechtsvorschrift vor, die Online-Diensteanbieter dazu verpflichten soll, digitale Kommunikation und Daten automatisch und wahllos auf potenzielles Material zur sexuellen Ausbeutung von Kindern zu überwachen und verdächtige Nutzer automatisch der Polizei zu melden. Die Gesellschaft für Informatik (GI) kritisiert, dass durch diese sogenannten „Chatkontrollen“ die private Kommunikation über Instant Messaging, Videokonferenzen, Chats und E-Mail-Dienste einer Massenüberwachung unterworfen wird und Hintertüren zu Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikationsdiensten erforderlich wären, während die Täter weiterhin geschlossene Foren, selbst gehostete Plattformen und P2P-Netzwerke nutzen könnten, ohne eine Entdeckung zu riskieren.

Prof. Dr. Hartmut Pohl, Sprecher des GI-Präsidiumsarbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit: „Dieses Gesetzgebungsvorhaben zur weitgehend anlasslosen technischen Überwachung sämtlicher vertraulicher digitaler Kommunikation ist insbesondere im angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) untragbar. Der EuGH hat in zwei wegweisenden Urteilen seine bisherige grundrechtsfreundliche Rechtsprechung fortgesetzt. Indem sich die EU-Kommission über die Urteile hinwegsetzt, verstößt sie in unseren Augen gegen ihre Pflicht als Hüterin der Europäischen Verträge.“

Im Urteil in der Rechtssache C-817/19 vom 19. August 2022 fordert das Gericht die Achtung der Grundrechte durch eine Beschränkung der in der Fluggastendaten-Überwachungsrichtlinie vorgesehenen Befugnisse auf das absolut Notwendige. Das Urteil verbietet ausdrücklich den Einsatz anlasslosem Scanning von Massendaten via Methoden der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI). Aus technischer Sicht sind solche Verfahren nach übereinstimmender Ansicht von GI und EuGH schon deshalb abzulehnen, weil sie aufgrund ihrer in der Natur der Sache liegenden Unschärfe von solchen KI-Verfahren zahllose Bürgerinnen und Bürger der EU ungerechtfertigten Verdächtigungen aussetzen werden.

In seinem Urteil in der Rechtssache C-793-19 und C-794-19 vom 20. September 2022 hat der EuGH geurteilt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten entgegensteht. Was für die Metadaten gilt, gilt natürlich erst recht für die von ihnen transportierten Inhalte.

Über den Präsidiumsarbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit GI

Sicherheits- und Datenschutzaspekte werden stark zunehmend von Gesellschaft, Unternehmen und auch der Politik adressiert. In der GI befassen sich eine Vielzahl von Fachbereichen (u.a. Sicherheit – Schutz und Zuverlässigkeit) mit diesen Themen, so dass das Präsidium den alle Fachbereiche übergreifenden Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit mit der Bearbeitung beauftragt hat. Weitere Informationen finden Sie unter https://pak-datenschutz.gi.de/

Über die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)

Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) ist die größte Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum. Seit 1969 vertritt sie die Interessen der Informatikerinnen und Informatiker in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik und setzt sich für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung ein. Mit 14 Fachbereichen, über 30 aktiven Regionalgruppen und unzähligen Fachgruppen ist die GI Plattform und Sprachrohr für alle Disziplinen in der Informatik. Weitere Informationen finden Sie unter www.gi.de.